Pilger des Zorns by Uwe Klausner

Pilger des Zorns by Uwe Klausner

Autor:Uwe Klausner [Klausner, Uwe]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Historischer Roman
ISBN: 978-3-8392-3404-4
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2011-08-10T10:05:02+00:00


NACH DEM MITTAGSLÄUTEN

Worin Isaak Rubinstein von einem entfesselten Mob durch die Straßen von MILTENBERG getrieben wird.

Eines war Isaak von Anbeginn klar gewesen: Um ihm, dem verhassten Juden, eine Lektion zu erteilen, würde sich der Notarius des Burggrafen zu Miltenberg am Main etwas einfallen lassen.

Etwas ganz Besonderes.

Und so kam es dann auch.

Auf dem Weg von der Burg zum Marktplatz ging es noch glimpflich ab. Ein paar Schmährufe, Drohungen, Rempeleien. Das Übliche. Daran hatte sich Isaak Rubinstein längst gewöhnt.

Richtig schlimm wurde es erst auf dem Marktplatz. Kaum hatte er ihn erreicht, war aus der Handvoll Gassenjungen, die sich an seine Fersen geheftet hatten, eine zu Dutzenden zählende, Gift und Galle spuckende Meute geworden. Eine Meute, der es nur um eines ging: dabei zu sein, wenn es ihm an den Kragen ging. Oder, wie allenthalben zu hören war, an einem Giftmischer, Weiberschänder und Zinswucherer ein Exempel zu statuieren.

In der Absicht, genau dies zu erreichen, hatte der Notarius vorgesorgt. Auf eine Weise, die an Niedertracht ihresgleichen suchte. Gelber Hut, Judenstern und Kaftan: schlimm genug. Da er jedoch obendrein Handeisen trug, konnte er sich nicht einmal wehren. Er war völlig hilflos, dem Mob auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Und der ließ sich nicht lange bitten. Alte Rechnungen begleichen, auf Kosten eines Unschuldigen – warum nicht?

Als er den Weg Richtung Würzburger Tor einschlug, war die Stunde des Pöbels gekommen. Der erste Tritt, kurz darauf ein zweiter. Ein Fuhrknecht, der ihn anspuckte. Der Fausthieb eines Kärrners, der ihn um ein Haar zu Boden gestreckt hätte. Beleidigungen, Schmährufe und Lästerungen zuhauf. Und kurz darauf ein Pflasterstein, der ihn nur um Haaresbreite verfehlte. Genug, sollte man meinen, um auch den friedfertigsten Zeitgenossen in Rage zu versetzen. Trotz allem jedoch erst der Anfang.

Als er die Spitalgasse erreichte, gab es kein Durchkommen mehr. Der Ton wurde schärfer, die Zurufe unflätiger. Der zweite Teil der Lektion konnte beginnen. Etwas, womit Isaak nicht einmal in seinen schlimmsten Albträumen gerechnet hatte.

Der Notarius hatte an alles gedacht, in der Tat.

Die drei Halbwüchsigen, die sich ihm in den Weg stellten, verhießen nichts Gutes. Ihr Wortführer, der Vierte im Bunde, noch weniger. Kaum älter als seine Spießgesellen, war er dennoch erheblich kräftiger als sie. Um zu erkennen, was der Rotschopf vorhatte, bedurfte es keiner großen Fantasie. Der Knüppel aus Eichenholz, den er in die Fläche seiner rechten Hand fallen ließ, sprach eine deutliche Sprache. Die hässliche Narbe, die sich quer über seine linke Wange zog, tat ein Übriges. Isaak schluckte, auf alles gefasst. Von diesem Schläger mit dem Wappen der Fischerzunft auf dem Wams hatte er nichts Gutes zu erwarten.

Harmlos ausgedrückt.

Und das sollte sich auch bewahrheiten. Der Rotschopf kam sofort zur Sache. »Bist du Isaak der Giftmischer?«, knurrte er, ließ den Knüppel durch die Luft wirbeln und fing ihn mit einer Hand wieder auf.

»Was meinen Vornamen betrifft, liegst du richtig. Bezüglich des Beinamens nicht.«

»Und weshalb?«, fragte der Rotschopf, bemüht, nach außen hin Gelassenheit zu demonstrieren.

»Weil ich diesbezüglich über keinerlei Erfahrungen verfüge. Beziehungsweise verfügt habe.«

Der Rotschopf schnippte mit dem Finger, woraufhin die drei Halbwüchsigen ihr Opfer wie ein Rudel Hunde einzukreisen begannen.



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